Ich nutze jede Gelegenheit, aus den Problemen der Kolleginnen, die jene mit den Patienten haben, zu lernen.“
Cleonice De Souza Rebeiro steht kurz vor der schriftlichen Prüfung. „Lernen ist ein Kampf“, sagt sie. Als alleinerziehende Mutter ist Zeitmangel stets ein Thema, denn ihre zwei Jungen, zehn und zwölf Jahre alt, benötigen viel Aufmerksamkeit. Die Ausbildung sei da nur strategisch zu bewältigen, nämlich durch regelmäßiges Wiederholen des Gelernten, speziell auch direkt vor dem Schlafengehen sowie durch Übersetzungen besonders schwieriger Lerninhalte in ihre Muttersprache Portugiesisch, sagt sie. Ihr Tag beginnt früh um 6 Uhr. Sie versorgt die Kinder und fährt anschließend mit Bus und S-Bahn nach Frankfurt zur Pflegeschule Kommit. Dort lernen nicht nur BeA-Frauen, auch etliche Jüngere erwerben dort die theoretischen Kenntnisse für den Beruf. Glücklicherweise lernt sie gern und hat Spaß daran, Lernthemen zu Hause nachzubereiten. Um 17 Uhr wieder daheim ist sie aber zunächst für ihre Kinder da. Auf die Frage, wie sie sich neben den Anforderungen als Mutter auf ihr eigenes Lernen konzentrieren könne, antwortet sie, sie blende alles Ablenkende aus. Die buddhistische Philosophie, gemäß der es nur das „Jetzt“ gebe, helfe ihr, den Alltag zu bewältigen. Sie ist bei ihren Großeltern auf dem Land aufgewachsen und hat viel von ihnen gelernt, zum Beispiel Ruhe und Natur wertzuschätzen. Schon als Kind hat sie gewusst, dass es nur den Augenblick gibt. So hat sie früh gelernt, sich inmitten von Anforderungen und Stresssituationen zu entspannen. Davon profitiert sie heute in ihrer Ausbildung. „Das Wichtigste im Leben ist, ruhig zu bleiben. Wenn ich etwas nicht schaffe, geht die Welt nicht unter“, sagt sie und lacht. Diese Gelassenheit, betont sie, verhilft ihr im Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen und auch mit den Patientinnen und Patienten zu Geduld. Und sie erhält selbst bei hohen Anforderungen in Schule und Pflegeheim die Energie, die es braucht, um aufmerksam und lernbereit zu sein. „Ich nutze jede Gelegenheit, aus den Problemen der Kolleginnen, die jene mit den Patienten haben, zu lernen.“ Besonders unzufriedene Patientinnen und Patienten, die sich beschweren und ihre Pflegerinnen für ihr Unwohlsein verantwortlich machen, beschreibt sie als große Herausforderung. Die Arbeit mit dementen alten Menschen macht ihr Freude. „Ich mag es, die Gefühle der Menschen zu erkennen. Das erleichtert es mir, die Patienten zu verstehen. Ich habe gelernt, dass es nicht meine Aufgabe ist, die Patienten zu erziehen, ich muss sie nur akzeptieren.“ Diese Herausforderung des menschlichen Miteinanders in der Pflege gilt ihr als Vergnügen. Den Weg zur Arbeit, die Teamarbeit und besonders die Dokumentation beschreibt sie dagegen als Arbeit.